von Mathias Stahl
Eine X.te Stellungnahme
Es ist schon erstaunlich sich als Freiberger Stadtrat häufiger zu Themen äußern zu können als von der Zuständigkeit eigentlich zu erwarten wäre. Na, nun denn also zum "KRD".
Warum ist das "KRD" relativ erfolgreich? Warum kann das Konstrukt offensichtlich Gelder zum Immobilienerwerb (Kanzleilehngut Halsbrücke) aufbringen? Und das als „Reichsbürger“? Bei dem Wort erstarrt der bundesdeutsche „Untertan“ wie das Kaninchen vorm Verfassungsschutz.
Wir aber nicht, also: Das "KRD" meint, per Annahme einer Verfassung nach Art. 146 GG (z.B. der KRD-Verfassung - Gründung nach Konvention von Montevideo) sei jede Kommune nach 4. Verfassungsgrundsatz § 92 StGB, Subsidiaritätsprinzip (Art. 28 GG) und völkerrechtlichem Sezessionsrecht in der Lage, sich von den Strukturen der BRD zu lösen. Grundlage wäre die Tatsache, das Deutsche Reich bestünde fort (Reichskontinuität), die BRD sei bis zu einem Verfassungsentscheid nach Art. 146 GG nur Besatzungskonstrukt, verfüge mit dem GG über keine eigentliche Verfassung, bis zu einem Volksentscheid keine volle Souveränität.
Das "KRD" ist schon auf den 2. Blick also vielmehr als eine bloße „Reichsbürgerbewegung“ und bräuchte eigentlich mehrerer Artikel zur Diskussion. Aber versuchen wir mal die Reichskontinuität auseinanderzupflücken. Denn diese Ansicht gibt in verschiedensten Kreisen immer wieder zu Fragen Anlass.
Mit der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 unterzeichnete General Jodl im Namen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) für die Einstellung aller Kampfhandlungen deutscher Truppen, einen Waffenstillstand. Er unterzeichnete im Auftrag, aber nicht im Namen der Reichsregierung des Völkerrechtssubjektes Deutsches Reich; ersichtlich in der Kapitulationserklärung der Wehrmacht, wo auf zukünftige Kapitulationsbedingungen durch die UNO für Deutschland hingewiesen wird. Nach Haager Landkriegsordnung (HLKO) hätten nun Friedensverhandlungen folgen bzw. ein weiterer alliierter Vormarsch unterbleiben müssen. Rein juristisch bestand das Reich fort.
Die Alliierten sahen das natürlich anders. Mit nun totalem Gewaltmonopol über deutsche Territorien interpretierten sie die Kapitulation als bedingungslose des Deutschen Reichs und handelten entsprechend ihrem Kriegsziel, der Beseitigung desselben. Mit der Verhaftung der Reichsregierung verstießen sie zwar gegen die HLKO, beendeten jedoch konsequent alle deutsche Staatsgewalt. Ab nun organisierten sie deutsche Belange. Deutsche Territorien waren ab jetzt Protektorate.
Wie ließen sich diese zwei Positionen juristisch vereinbaren? Noch dazu, daß in Folge des beginnenden Kalten Krieges die nachfolgenden Staaten BRD und DDR 1949 gegründet wurden. Recht komplizierte Fragestellungen. Bestand das völkerrechtliche Subjekt Deutsches Reich trotz alliiertem Kriegsziel und Besatzung fort? Wenn ja, in BRD, in DDR, in beiden? Oder sind beide doch völkerrechtlich was Neues? Dazu gibt es nun verschiedene Fortbestands- und Untergangstheorien.
Das bundesdeutsche Verfassungsgericht (BVerfG) urteilte 1973 zum Grundlagenvertrag: „Das GG geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist. … Die BRD ist … nicht ‚Rechtsnachfolger’ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich’ … Mit der Errichtung der BRD wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert.“
Also: laut BVerfG selber besteht das Reich in Form der BRD fort. Das ist verwirrend und nicht stimmig. Zur Verdeutlichung sei auf die 2+4-Verträge inklusive Einigungsvertrag 1990 verwiesen:
Neben den 4 Protektoratsmächten waren die 2 deutschen Staaten zur Klärung des Nachkriegsstatus involviert. Hätte das Reich in Form der BRD weiterbestanden, so wäre nach Verzicht der UdSSR auf Besatzung der Beitritt der DDR-Territorien nach Art. 23 GG, unzweifelhaft ehemals zum Reich gehörend, nur ein einfacher Verwaltungsakt gewesen. Daß aber neben Besatzungsmächten auch Volkskammer und Bundestag entschieden, unterstreicht die völkerrechtliche Souveränität beider Nachfolgestaaten.
Als weiteres Indiz kommt die Entscheidung der Regierung Kohl hinzu, für eigentumsrelevante Maßnahmen der Sowjets keinen Ersatz oder Entschädigung zu leisten, da keine (völkerrechtliche) Zuständigkeit für die BRD bestand.
Grund des BVerfG-Urteils von 1973 ist also wohl reine Legitimation im Kalten Krieg, eine Ableitung von Reichsnostalgie auf die BRD.
Letztlich ist aber an den Handlungen aller nicht vorbeizukommen. Es war von den Alliierten niemals ein Friedensvertrag geplant, weil das Völkerrechtssubjekt Deutsches Reich von ihnen beseitigt wurde. Die Besatzungsmächte entschieden somit später auch über den DDR-Beitritt, über dessen Organisation BRD und DDR selber. Das in sich schlüssige Handeln der Beteiligten läßt im Rückschluss keine andere Beurteilung der angenommenen Rechtslage zu, als daß das Reich untergegangen und BRD und DDR völkerrechtlich berechtigt waren zu entscheiden. Der 2+4-Vertrag machte dies verbindlich. Der juristische Ausdruck dafür: konkludentes Handeln.
Und da, auch nach GG, gilt: internationales Recht bricht Landesrecht - ist die Meinung des BVerfG durch 2+4 obsolet. Das Reich von 1871 ist Geschichte. Die BRD ist völkerrechtlich neu. Die Alliierten traten mangels Rechtsnachfolgestaat 1945 in die Rechtsnachfolge ein.
Übrigens ist es meine Überzeugung, dass, historisch gesehen, bei grundlegenden Interessen das Recht immer nur der Macht folgt (Recht des Stärkeren). Nachfolgende Verrenkungen der Juristerei dazu kommen nicht von ungefähr. Dazu gehört meiner Meinung nach auch der kapitale Bock, daß 4 Tage vor dem Beitritt nach Art. 23 GG alt dieser mit Verkündung Bundesgesetzblatt schon aufgehoben wurde.
Schlussfolgerungen:
Die Argumentation des "KRD" für kommunale Ausgründungen in seine Struktur hinein ist als nicht schlüssig zu bewerten. Souveränität der BRD besteht. Ob sie teilweise abgegeben wurde, wahrgenommen werden möchte oder praktisch wahrgenommen werden kann ist eine andere Frage, Gründung und Geschäftsmodell des "KRD" ebenfalls.
Den Gedanken eines neuen Völkerrechtssubjekts BRD weiterführend ergibt: Reparationsforderungen, z.B. die gegenwärtigen polnischen in Höhe von ca. 1,2 Bio. €, sind an die ehemaligen Protektoratsmächte, die eigentlichen Rechtsnachfolger, zu stellen.
Die „Reichsbürgerbewegung“ folgt bzgl. Reichskontinuität der Argumentation des BVerfG. Diese „Bewegung“ ist rein hausgemacht! Deren relativer Erfolg und somit auch der des "KRD" gründet sich u.a. auf diesen Urteilsspruch. Warum wird an dieser Position festgehalten? Keine Ahnung. Um diese „Bewegung“ als Honigtopffalle für unzufriedene Bürger aufrechtzuerhalten? Es wäre mit neuer Rechtsprechung ein Leichtes das abzustellen.
Der Intention des Parlamentarischen Rates von 1949 bzw. des Art.5 „Einigungsvertrags“ (Volksabstimmung des Souveräns zu einer Verfassung nach Art. 146 GG) ist bis heute nicht Genüge getan. Auch daher rührt eine Legitimationslücke. Ein Beitritt nach Art. 23 GG war wohl der politisch „leichtere“ Weg – auch vor dem Hintergrund des Moskauer Putsches. Zudem ist unsere Verfassung/GG, solange ihr Geist noch gilt, nicht die schlechteste. Bei jetzigen Verhältnissen käme bei einer Volksabstimmung auch eher eine Räterepublik zustande. Doch die Intention besteht fort, eine Heilung aller Widersprüche nur mit Abstimmung zu beheben.
Aufgaben:
Es bleibt für uns Deutsche die immer existenzieller werdende Aufgabe, die verdrängten, heute durch Pseudokrisen wie Klimawandel, Cancel Culture, Reußen-Putsch u.a.m., unterdrückten psychologischen Debatten von vor 30 Jahren zu führen, uns endlich um unsere liegengebliebenen Dinge zu kümmern: „Woher kommen wir? - Wer sind wir? - Was wollen wir?“. Erinnern wir uns: Was ist unsere Tradition, Geschichte, Kultur? Was hätte eine tragfähigere Erzählung für die Zukunft sein können als die Vollendung von 1848/49 durch die friedliche Revolution von 1989? Mit einem 9. November als nationalen Gedenkfeiertag? Die von In- und Ausland gepflegte „posttraumatische Belastungsstörung“ durch das 3. Reich hätte überwunden werden können. Wir könnten frank und frei nach vorne schauen. Das „Sommermärchen 2006“ ist eine entfernte Ahnung davon. Das "KRD" wäre gar nicht entstanden.
Defizite unseres „Gesellschaftsvertrags“ gäbe es derzeit auch noch genug zu beheben: sklerotischer Parteienstaat, Rolle der Medien und NGOs, Deutsche Mark/ECU vs. EURO, Europa der Vaterländer vs. EU, EVG vs. NATO, Asylmissbrauch, Föderalismusreform. Steuerreform etc. etc. etc.. Wie wäre es mit einer modernen Form eines athenisches Scherbengerichts?
Ich wiederhole was schon an anderer Stelle geschrieben wurde: Was wir brauchen ist ein neuer „Paulskirchenprozess“ mit Antworten auf Fragen bzgl. Fehlentwicklungen unserer Demokratie – Paulskirche statt Säxit.