von Marko Winter (Fraktionsvorsitzender); Februar 2020
Bahnhöfe sind Tore zur Stadt und prägen diese. Die Entwicklung - oder besser die Abwesenheit von Entwicklung – der letzten Jahre hat unseren Freiberger Bahnhof zu einem Schandfleck gemacht. Jahrzehntelang gehörte er dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn und wurde wie viele Bahnhofsgebäude dem Verfall preisgegeben. Unser Bahnhof wurde geradezu ein Exempel dieses Verfalls, geprägt durch Untätigkeit, Bürokratismus und fehlende Kundenorientierung.
In der Privatisierungswelle um das Jahr 2010 wurde er verkauft, wie viele andere Bahnhöfe auch. Aber anstatt in den dringend benötigten Ausbau der deutschen Bahninfrastruktur zu investieren, wurden im Rahmen der „trendigen“ Globalisierung Erlöse aus dem Verkauf von Bahnhöfen in internationalen Beteiligungen angelegt. Nach der Privatisierung hatte der Bahnhof wechselnde Eigentümer und war zuletzt im Besitz von internationalem Großkapital. Profitorientierung ohne Verantwortungsgefühl sowie lokale und nationale Bindung führten zum weiteren Verfall dieses ehemals schönen Gebäudes. Die entstandenen Wertverluste tauchten in den Bilanzen nicht auf, waren aber für die Bürger deutlich spürbar. Ein Teufelskreis aus Verwahrlosung und Kriminalität entwickelte sich. Ein Pendler beschreibt die Situation mit drastischen Worten: “Der normale Bürger darf auf dem Heimweg nach der Arbeit während des Wartens am verwahrlosten Bahnsteig noch der Verwahrlosung der Jugend zuschauen“. Um diese Zustände zu beenden, hat der Stadtrat Freiberg im Juli 2019 den Erwerb des Bahnhofs beschlossen. Allerdings bedeuten die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamt und die stetige Zunahme von Vorschriften z.B. für den Klima- oder Denkmalschutz hohe bürokratische Hürden und immense Kostenrisiken bei Investitionen. Realistische Schätzungen gehen mittlerweile von 20 Millionen EUR Sanierungskosten aus. Bei allen zukünftigen Vorhaben sollte daher eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Abwägung im Vordergrund stehen. Neben den für einen Bahnhof notwendigen Einrichtungen ist die Nutzung als Sitz lokaler Behörden sinnvoll. Im Zuge der Gegenfinanzierung könnten freiwerdende innerstädtische Gebäude - bevorzugt an engagierte Freiberger Investoren - verkauft und benötigter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden.